Gestern hob die umsatzstärkste Sportveranstaltung Europas zum Finale Grande an. Österreich rechnete vor wenigen Jahren mit einigen hundert Millionen Euro Gewinn aus diesem Event. Heute ist man froh, wenn es mit einer flachen Null aufgeht. Den Betreibern des Stade de Suisse in Bern geht es gleich, auch sie rechneten mit einem guten Geschäft und sind heute froh, wenn sie nicht drauflegen. Die Dummen sind die Steuerzahler.

Für Portugal 2004 wurden zehn Stadien zum Teil neu gebaut, investiert wurden allein vom Staat 1.5 Milliarden. Die meisten dieser Stadien stehen heute leer, ein wirtschaftliches Fiasko. Die Uefa machte in Portugal einen Bruttoumsatz von 1.3 Milliarden. Mit der Euro 08 kitzeln sie die 2-Milliardengrenze. Die Hälfte davon soll als Gewinn übrigbleiben. Steuerfrei.

Das ist im Vergleich zu Sootschi 2014, der Winter Olympiade in Russland, noch gar nichts. Dort will der Russe ein komplett neues Sport- und Ferienresort hochziehen. Das verschlafene und schlecht erschlossene Nest wird zur Topdestination Russlands hochgetunt. Dafür braucht es Hotels, Stadien, Wintersportanlagen (Seilbahnen, Skilifte etc.), Strassen, Eisenbahnen (inkl. Tunnels, Stadler Rail ist schon am Ball), Infrastrukturen (Energie, Wasser, etc.), Schulen, Wohnungen, Spitäler – alles neu. Kosten: 30 Milliarden.

Vor der Tür steht ja auch Peking 08, eine Sommer Olympiade. Wieviel dort investiert wurde, ist schwer zu beurteilen. Sicher ist nur, dass in China diverse Nebenkosten anfallen, die in dieser Art hierzulande nur in homöopathischen Dosen aufkommen. Z.B. hat man in Peking gerade kürzlich 10’000 zusätzliche sog. „Internetpolizisten“ angeheuert. Zu den 100’000, die man schon hat. Spielt aber alles keine Rolle, schliesslich will man hier den weltgrössten Markt erobern und anders geht das nun mal nicht.

Klar ist, dass in diesem ganzen Zirkus fast alles austauschbar ist. Die Sponsoren, die Orte, die Profiteure. Nur eines nicht: Die Sportler. Sportbusiness ist auf wenigen hundert Spitzensportlern aufgebaut, um die herum die ganze Show inszeniert wird. Ohne die Sportler läuft gar nichts. Sie sind nicht einfach nur das Salz in der Suppe, sondern das entscheidende Atömchen, das die Maschine erst zum laufen bringt.

Eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Stellt man die 2 Milliarden Uefaumsatz den 368 Fussballspielern gegenüber, muss man schon von einer Bürde reden. Oder von Macht? Eine Macht, die im Showbusiness da und dort sogar wahrgenommen wird. Mandela wäre ohne ein paar Dutzend Popstars nicht oder viel später frei gekommen.

Die Frage lautet also: Ist es angesichts der gigantischen Umsätze, die da gebolzt werden, noch opportun, dass die Sportler zu schlimmen politischen Zuständen und überkandidelten Superbusinessprojekten einfach nichts sagen? Nichts sagen dürfen, sollen, müssen?

In Zeiten, in denen jedes KMU mit Sachen wie Corporate Gouvernance (gemeint ist damit nichts weiter als anständiges Benehmen) herumschlagen muss, ist nicht einzusehen, warum gerade Sportler das nicht müssen resp. dürfen. Nicht jeder Sportler muss ein Tommie Smith (Bild oben) sein. Aber der eine oder andere dürfte schon mal etwas sagen zu den allgemeinen Zuständen. Wie das im Showbiz der eine oder andere Superstar auch tut.

Spitzensportler 2.0 sind wären dann keine reinen Kampfmaschinen mehr, sondern Persönlichkeiten mit Rückgrat und einer eigenen Meinung. – Wie weit wir von einem solchen Idealbild entfernt sind… seufz, man darf gar nicht dran denken.

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> Ein Interview mit der Sprinterlegende Tommie Smith, der an der Siegerehrung an der Sommerolympiade 1968 die Faust erhob und damit der Black Power Bewegung (quasi die Keimzelle von Barack Obamas Erfolg von heute) weltweite Beachtung verschaffte, finden Sie beim Schweizer Journalisten Peter Hossli auf hossli.com